Lieferprobleme bei Cannabis
Seit dem Inkrafttreten des „Cannabis-Gesetzes“ am 10. März dürfen Ärzte in Deutschland Patienten medizinisches Cannabis verschreiben. In der Folge ist der Bedarf sprunghaft angestiegen, und die wenigen Lieferanten kommen nicht mehr nach. Bundesweit sitzen Apotheken hinsichtlich der Versorgung auf dem Trockenen. Entlastung könnte es erst wieder im September geben.
Hat sich die Politik wegen der Umsetzung des vielgelobten „Cannabisgesetzes“ zu wenig Gedanken gemacht? Das Gesetz sei ein Schnellschuss gewesen, beklagen Kritiker. Fünf Monate nach Inkrafttreten spitze sich die aktuelle Versorgungslage für viele Schmerzpatienten zu. Infolge der sprunghaft angestiegenen Nachfrage sollen in Apotheken momentan nur Restbestände von medizinischem Cannabis erhältlich sein.
Fast 6500 abgerechnete Verordnungen bis Ende Mai
Vor dem Cannabisgesetz hatten in Deutschland rund 1000 Schmerzpatienten eine Sondergenehmigung, mit der sie auf Rezept medizinische Cannabisblüten beziehungsweise synthetisch hergestellte Medikamente auf Cannabis-Basis bekommen konnten. Eine solche Sondergenehmigung ist nun nicht mehr nötig. Statt dessen dürfen Ärzte medizinisches Cannabis auf einem BtM-Rezept unter bestimmten Voraussetzungen „ganz legal“ verschreiben. Nach Analysen des Marktforschungsunternehmens QuintilesIMS soll die Zahl abgerechneter Verordnungen infolgedessen im März um mehr als 1000 auf 3604 angestiegen sein und bis Ende Mai auf 6467. Hierbei wurden nur Fälle gezählt, bei denen die jeweiligen Kassen die Kostenerstattung genehmigt hatten.
Auf Importe angewiesen
Eigentlich soll die neue Cannabis-Agentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sicherstellen, dass Cannabis für die medizinische Verwendung in standardisierter Qualität angebaut wird. Die Agentur soll diese dann kaufen und an Hersteller und Apotheken abgeben. So weit ist es aber noch nicht. Vor 2019 oder 2020 werden wohl keine Cannabisblüten aus Deutschland auf den Markt kommen Bis dahin soll auf Importe zurückgegriffen werden.
ABDA: Lieferprobleme könnten bis September anhalten
Apotheken beziehen die Produkte derzeit von zertifizierten Importeuren aus den Niederlanden und Kanada. In Deutschland gibt es vier Importeure, die von der niederländischen Firma Bedrocan beliefert werden: ACA Müller ADAG Pharma in Überlingen, Cannamedical® Pharma in Köln, Fagron Deutschland in Barsbüttel und Pedanios in Berlin. Cannabisblüten des kanadischen Herstellers Tweed werden von dem Unternehmen MedCann in St. Leon-Rot (bei Heidelberg) importiert und Blüten von Peace Naturals, ebenfalls aus Kanada, von Pedanios.
Es „klemmt“ überall
Die Bezugsquellen sind demnach überschaubar, und so hätte der Engpass vielleicht vorausgesehen werden können. Die Berliner Morgenpost lässt den Geschäftsführer der Pedanios GmbH, Florian Holzapfel, zu Wort kommen: „Wir haben im Mai fünf Mal so viel verkauft wie im Februar“, sagte Holzapfel gegenüber der Zeitung. Obwohl Pedanios sich auf die höhere Nachfrage vorbereitet habe, komme man derzeit mit der Lieferung nicht hinterher.
Der niederländische Hersteller Bedrocan könne derzeit keine ausreichenden Mengen liefern. Stockungen der Versorgung aus Kanada führt Holzapfel auf die schleppende Bewilligung von Importanträgen durch das BfArM zurück, auf die das Unternehmen wartet. David Henn von Cannamedical in Köln, der von Bedrocan bezieht, teilte dem Focus mit: „Ich habe den Hersteller gefragt, wann er unsere Firma wieder beliefern kann. Spätestens Anfang nächster Woche, sagte man mir. Auch unsere Lager sind leer. Sobald was da ist, wird es uns aus den Händen gerissen“, so Henn. „Als Grund für die Verzögerung wurde uns die um 300 Prozent gestiegene Nachfrage genannt.“ Seine Firma habe 2017 bereits 150 Kilo Cannabis importiert und bis Ende des Jahres seien noch 800 Kilo geplant, fügte Henn an.